Vollschichtige Erwerbsobliegenheit im Rahmen des nachehelichen Unterhalts

von Rechtsanwältin Sabine Frank

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 11.11.2022 (Az.: 3 UF 53/22) die Anforderungen an eine Erwerbsobliegenheit im Rahmen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs präzisiert. In dem Verfahren hatte die Ehefrau den Ehemann im Rahmen eines Scheidungsverfahrens auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommen.
Der Ehemann ist dem unter anderem mit der Begründung entgegengetreten, die Ehefrau lebe mittlerweile mit einem anderen Mann in einer verfestigten Lebensgemeinschaft und ihr sei ein Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit anzurechnen. Die Ehefrau hat dies bestritten und geltend gemacht, ihr sei eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit zum einen wegen Krankheit nicht zuzumuten und zum anderen auch deswegen, weil sie für einen wesentlichen Teil der langen Ehe nur einer halbtägigen Beschäftigung nachgegangen und deshalb eine weitergehende Erwerbstätigkeit unzumutbar sei.

Das OLG Düsseldorf hat eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit angenommen. Zunächst hat es klargestellt, dass jeder, der sich auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, dezidiert darzulegen hat, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken.
Eine entsprechende Beweiserhebung sei nur bei einem substantiierten, auf ärztliche Atteste, Arztberichte oder Privatgutachten gestützten Vortrag geboten. Aus Attesten müsse sich schlüssig ergeben, dass wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen keine unbeschränkte Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Im relevanten Fall war dies nicht gegeben. Dass die Ehefrau während der Ehe nur halbschichtig gearbeitete habe, ließ das OLG Düsseldorf als Argument ebenfalls nicht gelten.
In Bezug auf den nachehelichen Unterhalt gelte der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB), aus dem sich grundsätzlich eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit ableite. Denn aus der Eigenverantwortlichkeit geschiedener Ehegatten ergebe sich, dass jeder Ehegatte seinen Lebensbedarf grundsätzlich durch eigene finanzielle Mittel decken und alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen muss, diese Mittel zu erwirtschaften. Hierzu gehöre grundsätzlich eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit.    

Da es sich bei der Thematik des nachehelichen Unterhaltsrechts um eine äußerst komplexe Materie handelt, ist es in jedem Fall empfehlenswert, sich diesbezüglich anwaltlich beraten zu lassen.

Die Verfasserin ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht mit Kanzlei in Rüdesheim am Rhein.

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